Sehr oft werden mein Mann und ich gefragt, warum wir uns vegan ernähren. Vermutlich kennen alle Veganer/innen diese Frage, die Fluch und Segen zugleich sein kann. Die einen mögen es mit einem Augenrollen und Kopfschütteln für unangebracht im 21. Jahrhundert halten und die anderen freuen sich über diese Gesprächseröffnung und Offenheit.
Ich persönlich bin dankbar über diese Frage, da bisher jeder Fragensteller ernstes Interesse gezeigt hat und sich dem Austausch über die vegane Ansicht geöffnet hat.

Doch wollen wir uns wieder der Frage widmen. Warum vegan? Es gibt vielerlei Gründe sich vegan ernähren zu wollen.
1) ethisch
Die meisten Veganer/innen nennen die Ethik als Hauptgrund. Der Verzehr von Fleisch, Fisch und tierischen Nebenprodukten beinhaltet Tierleid, welches Veganer moralisch nicht auf sich nehmen wollen. Es soll kein Tier leiden oder sterben, nur um etwas zu essen zu haben.
Die Massentierhaltung steht hingegen für schlechte Haltungsbedingungen, wie Überzüchtung, beengte Käfige und Stallungen, schlechte hygienische Bedingungen, Ausbruch von Krankheiten und Ausbeutung der Tiere.
2) ökologisch
Der Fleischkonsum und die damit verbundene Tierhaltung wirken sich negativ auf den Verbrauch von Ressourcen, die Fruchtbarkeit unserer Böden, die Artenvielfalt und unsere Treibhausgasemissionen aus. Daher ist Nachhaltigkeit für Veganer/innen ein wichtiges Thema und eine entscheidende Grundlage für ihre Ernährungsform.
In der Produktion von Kuhmilch werden 628 Liter Wasser für lediglich 1 Liter Kuhmilch benötigt. Hingegen Hafermilch verbraucht nur 48 Liter Wasser und Sojamilch nur 28 Liter Wasser.* Das ist rund die 13- bzw. 22-fache Menge an Wasser, die benötigt wird.
Ähnliche Verhältnisse haben wir auch beim Anbau der Sojabohne. Soja gilt nicht nur als proteinreicher Lieferant in Form von Tofu und Sojamilch, sondern vielmehr als günstiges Futtermittel. Rund 80 % des Sojas wird als Tierfutter genutzt.** Durch den immer weiter steigenden Fleischkonsum hat sich auch die Anbaufläche von Soja ausgeweitet und die Produktion in den letzten fünf Jahrzehnten um das Zehnfache erhöht. Die Ausweitung der Anbauflächen hat Waldrodung, Aussterben von Tierarten und deren Lebensräumen, Verseuchung des Wassers und das Vertreiben von Menschen zur Folge.** Von den hohen Treibhausgasemissionen durch die Abholzung, Rinderhaltung und langer Transportwege noch gar nicht gesprochen.
3) gesundheitlich
Einige Veganer/innen ernähren sich aus gesundheitlichen Gründen vegan bzw. vollwertig pflanzlich. Durch den Verzehr von Fleisch und tierischen Produkten wird automatisch Cholesterin aufgenommen, was bei einer pflanzlichen Ernährung nicht geschieht, da pflanzliche Lebensmittel kein Cholesterin enthalten. Zudem haben pflanzliche Lebensmittel eine höhere Nährstoffdichte und zugleich niedrigere Energiedichte, was so viel bedeutet wie: mehr Nährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, etc.) bei weniger Kalorienaufnahme.
Bekannte Kardiologen wie Dr. Caldwell B. Esselstyn (Autor des bekannten Buches: Essen gegen Herzinfarkt) konnten bereits durch Studien beweisen, dass alle westlichen Krankheiten mit dem Verzehr von Fleisch und tierischen Produkten zusammenhängen. Die Aufnahme von Fett, Öl und tierischem Protein begünstigen Krankheiten wie Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin, Schlaganfälle, Diabetes mellitus Typ 2 und Osteoporose. Sie können eingeschränkt und mit einer pflanzlichen Ernährung verhindert und teils rückgängig gemacht werden. Auch Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs, Enddarmkrebs, Gebärmutterkrebs, Eierstockkrebs und Lungenkrebs können deutlich minimiert werden.
4) religiös
Eine vegane oder vegetarische Lebensweise kann auch einen religiösen Hintergrund haben, wie bspw. im Jainismus und Buddhismus und beim indischen Wüstenvolk der Bishnoi. Der Jainismus ist wenig bekannt, jedoch die vegan-freundlichste Religion. Sie kommt aus dem indischen Raum und beruht auf dem Glauben alles Stoffliche wie Menschen, Tiere, aber auch Pflanzen und Wasser besitzen eine Seele. Daher dürfen nach ihrem Ideal kein Tier verletzt oder dem Tod ausgesetzt und Pflanzen nur im unvermeidlichen Maße beschädigt werden.
5) sozial
Soziale Aspekte wie Welthunger, dem Bestreben von sozialer Gerechtigkeit, aber auch der Anpassung an das eigene soziale Umfeld, können Gründe für den Ernährungswechsel sein.
Laut der Welthungerhilfe litten im Jahr 2020 rund 811 Millionen Menschen an chronischem Hunger, was in etwa auf jeden 10. Mensch auf der Erde zutrifft.*** Nicht nur Klimakatastrophen und Kriege führen dazu, sondern vielmehr Armut, ungleichmäßige Landwirtschaft und verzerrter Welthandel. Das eigene Umfeld, bestehend aus Familie, Freunden, Arbeitskollegen und Bekannten, hat einen indirekten Einfluss auf uns alle. Wir tauschen uns über neue Erfahrungen, Erlebnisse und Ansichten aus und lernen dadurch voneinander. So kann Veganismus auch „ansteckend“ und inspirierend sein, wenn bspw. eine Essenseinladung bei veganen Freunden zur genüsslichen Ekstase wird.
Die Gründe sind sehr vielfältig. Bei manchen benötigt es nur einen Grund und bei anderen einen Mix aus mehreren, um zum Veganismus zu wechseln.
Vielleicht kommt irgendwann die Zeit, in der Veganer/innen die Mischköstler fragen, weshalb sie tierische Produkte verzehren.
Doch bis dahin, sollten wir offen bleiben für die Ansicht unseres Gegenübers und uns Gesprächen gegenüber dem vermeintlich fremdem öffnen.
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichte ich teils auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
* Quelle: Wasserverbrauch von Kuhmilch und pflanzlicher Milch im Vergleich im Jahr 2018 – Statista
** Quelle: Soja – die Nachfrage steigt – WWF
*** Quelle: Hunger weltweit – Welthungerhilfe
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